Verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) ... und verbindende Auskünfte dazu.

Einblick in entscheidende Hintergründe zum Thema vZTA.


Oder: "Wissen schafft Verantwortung" .

Ja, genau - Nichtwissen ebenso! 

...Dieser Blog ist ein Exkurs rund um die rechtliche Verbindlichkeit der Zolltarifauskunft in der Schweiz, samt juristischer Fragestellungen und deren Klärung in Zusammenarbeit mit externen Fachstellen.

Viel Spass beim Lesen!


Unklar, welche Tarifnummer die richtige ist für Ihr Produkt?

Ein Kollege aus der Aussenhandelsbranche teilte mir mit: "Wir würfeln jeweils die Tarifnummer".

🎲 Das macht allenfalls mehr Spass, wenn auch nur bedingt.



Die Tarifnummer kann ein echter Gamechanger sein:


Spätestens in diesen Situationen mutiert die Tarifierungsfrage von einem Geplänkel unter Kollegen zu einer echten Challenge mit Risikofaktor und einer Tragweite, die strategische Entscheide beeinflusst:


- Wenn ein Kunde im Bestimmungsland Sie darum bittet, eine andere Tarifnummer zu verwenden, da sonst für ihn hohe Zollkosten anfallen. 

- wenn der Kunde im Bestimmungsland Emissionsdaten im Rahmen von CBAM von Ihnen möchte.

- Wenn Ihr Kunde eine Einfuhrbewilligung benötigt, um den Artikel einführen zu können und sich bei Ihnen erkundigt, ob die Tarifnummer richtig ist?

- Wenn Ihr Kollege, der die Präferenzkalkulation überwacht, Ihnen erläutert, dass mit der Anpassung der Zolltarifnummer neu präferenzieller Ursprung für das Hauptabsatzland Ihres Unternehmens entstände. Und, dass bei sog. Dropshipments über Ihre eigene Vertriebsgesellschaft Ihre Unternehmung sogar direkt von der Einsparung hoher Zollabgaben profitieren würden.


Oder aus Perspektive Schweizer Importeur:

- Wenn Sie ein neues Produkt in hoher Menge importieren möchten und beim Import Zollabgaben in der Höhe von entweder CHF 4.- oder CHF 400.- pro 100 KG Importgewicht anfallen.*

*In der Schweiz trifft dieses Szenario nur noch im Bereich Landwirtschaftliche Grundgüter, Futtermittel und Nahrungsmittel (HS Kapitel 01-24) zu – seit dem Industriezollabbau.


Es gibt zwei Möglichkeiten für externe Abhilfe bei unbequemen Tarifierungsfragen:

➡️ Unverbindliche Zolltarifauskunft (Ein Anruf bei der Auskunftszentrale des BAZG, oder aber privatwirtschaftliche Beurteilung eines qualifizierten Beratungsunternehmen im Bereich Tarifierung).

Das Resultat? Ein unverbindlicher Vorschlag als Empfehlung.

➡️ Verbindliche Zolltarifauskunft, oft auch mit dieser Abkürzung anzuftreffen: vZTA.

Sie wird schriftlich beantragt, wie vom BAZG vorgegeben in folgendem Link:

https://www.bazg.admin.ch/bazg/de/home/services/services-firmen/services-firmen_einfuhr-ausfuhr-durchfuhr/zolltarif-tares/zolltarifauskuenfte.html

Resultat dieser Möglichkeit: Eine verbindliche Angabe der Tarifnummer für eine Frist von 6 Jahren.



Warum also nicht eine verbindliche Zolltarifauskunft einholen bei der zuständigen Zollbehörde, dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG)?


Dann besteht Verbindlichkeit, Verlässlichkeit. Klarheit. 

Ob und inwiefern das so ist, ist Gegenstand dieses Blogs.


🟪 Die unbestrittenen Stärken und Vorteile bei einer verbindlichen Zolltarifauskunft sind:

  • Hochgradige, innerhalb der Zollbehörde verbindlich akzeptierte, fachliche Richtigkeit.
  • Die hohe Reputation einer Behördenauskunft gegenüber Kunden, Lieferanten oder ausländ. Behörden.




Die Sache mit der Verbindlichkeit.


Die gängige Auffassung ist:  Eine verbindliche Zolltarifauskunft von Zollbehörden anderer Länder bindet sowohl den Antragsteller als auch die Zollbehörde zur Anwendung der darin festgestellten Tarifnummer - beim Import und Export (und allen anderen zollrechtlichen Bestimmungen wie z.B: Zollager, vorübergehende Verwendung etc.) – so lange, wie das Produkt unverändert bleibt.


📚 Bei meiner Recherche bin ich auf keine gesetzliche Grundlage gestossen, welche explizit die «Verbindlichkeit» der Zolltarifauskunft regelt.

Das BAZG weist in der verbindlichen Zolltarifauskunft die Antragsteller lediglich in einer Empfehlung darauf hin, die Spediteure sowie die Lieferanten über die künftige Anwendung der verbindlich festgelegten Zolltarifnummer zu informieren.

Dies ist einerseits ein logischer Schritt zur lückenlosen Umsetzung, denn proaktiv werden die Parteien nicht auf die Zolltarifauskunft aufmerksam.

Damit signalisiert das BAZG andererseits auch den rechtlich nicht verbindlichen Charakter der Zolltarifauskunft.


Die Verbindlichkeit der Tarifauskunft entfacht in der Praxis seine Wirkung, wenn ein äquivalenter Artikel in Art, Menge und Beschaffenheit bei der Zollabfertigung kontrolliert wird durch das BAZG. Das BAZG kann aufgrund der Datenbank, in welcher alle gültigen Zolltarifentscheide der Tarifauskünfte einsehbar sind für dessen Mitarbeitende, verbindlich die Zolltarifnummer bestimmen, sofern es sich um einen äquivalenten Artikel handelt.

Mit dem unternehmensseitigen Vorteil, Zollabgaben von Artikel mit Tarifentscheiden planbar kalkulieren zu können.


Die verbindliche Zolltarifauskunft ist wortwörtlich eine sichere Nummer, solange das angefragte Produkt in seiner Art, Aufmachung, Beschaffenheit und Zusammensetzung unverändert bleibt. 


⚠️ Rechtlich verbindlich ist die Tarifauskunft somit nur bedingt: 

Dem wichtigen Grundsatz zufolge, festgehalten in Artikel 19 des Zollgesetzes, ist bei jeder Verzollung, die durch die Zollbehörde kontrolliert wird, die in dieser Sendung im Zeitpunkt der Verzollung massgebende Art, Menge und Beschaffenheit der Ware entscheidend für die Festlegung der Tarifnummer.

Sprich, wenn die Zusammensetzung Ihres Produkts ändert, werden die Zollbehörden zu Recht den Artikel ungeachtet einer gültigen verbindlichen Zolltarifauskunft tarifieren – sofern die Änderung der Produkteigenschaften erkennbar resp. einsehbar ist, und der Aufmerksamkeit des BAZG-Zollpersonals nicht entgeht.


Wenn die Produkteigenschaften und Zusammensetzungen unverändert bleiben, wird die Schweizer Zollbehörde, im Falle einer Kontrolle, sich auf die verbindliche Zolltarifnummer berufen können (während dessen Gültigkeit) und Zollanmeldungen mit abweichenden Zolltarifnummern beanstanden, korrigieren und ggf. auch mit Strafmassnahmen sanktionieren können, im Falle von Umgehung von Restriktionen oder Zollabgaben in der Schweiz.


Über kurz oder lang lässt sich sagen: Nur, wenn die Bereitschaft besteht, die Tarifnummer verbindlich im Import und Export anzuwenden, empfiehlt sich das Instrument der verbindlichen Zolltarifauskunft.




Was, wenn man mit der Tarifnummer gem. der verbindlichen Zolltarifauskunft nicht einverstanden ist?


Vorweg: Dies neutral feststellen zu können, erfordert genügend Fachwissen und viel Zeit für die Auseinandersetzung mit dem Harmonisierten System / dem Zolltarifverzeichnis.

Es lohnt sich, eine unabhängige Drittperson zu involvieren, um eine Zweitmeinung zur Tarifnummer einzuholen.


Sofern begründete Zweifel bleiben, gibt es mögliche Rechtswege:


Die für diesen Beitrag mitwirkende Anwaltskanzlei hält fest:

"Verbindliche Zolltarif- und Ursprungsauskünfte (Art. 20 Zollgesetz i.V.m. Art. 73 f. Zollverordnung) sind ein wichtiges Instrument zur rechtssicheren Einreihung und Ursprungsbestimmung von Waren. Sie entfalten jedoch nur Verbindlichkeit, wenn die Angaben vollständig und korrekt sind. Die Verbindlichkeit kann durch unrichtige/unvollständige Angaben, Rechtsänderungen oder Praxisänderungen entfallen."


"Rechtsmittel gegen unbefriedigende oder widerrufene Auskünfte sind möglich, müssen aber fristgerecht ergriffen werden, um die Rechtskraft zu verhindern und um Nachteile bei künftigen Einfuhren zu vermeiden." 


"Anfragen sollten vollständig und sorgfältig dokumentiert werden, unter Beifügung aller relevanten Unterlagen. Wo möglich, sollte eine verbindliche Feststellungsverfügung verlangt werden, um den Rechtsschutz zu stärken. Änderungen in Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis sind laufend zu überwachen."


Nachgefragt bei Michael Bigler, Chef Zolltarif und Tarifgrundlagen, BAZG:

Was tun, bei begründeten Zweifeln an der verbindlichen Zolltarifauskunft?

"Der Antragsteller kann gestützt auf Art. 25 VwVG eine Feststellungsverfügung («Auskunftsverfügung») verlangen, sofern keine Einsprachen oder Beschwerden gegen Veranlagungs- oder Nachforderungsverfügungen hängig sind.

Feststellungsverfügungen des Fachbereichs Zolltarif und Tarifgrundlagen können durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden."

🟣 FAZIT aus Sicht HS-Code Support: Im Vergleich zu den verbindlichen Zolltarifauskünften aus der EU (European Binding Tariff Information "EBTI") können also gegen die Zolltarifauskünfte der Schweiz nicht auf Anhieb Beschwerden eingereicht werden, sondern es geht eine beantragte Feststellungsverfügung voran, welche als Verfügung rechtmässig beschwerdefähig ist.


Es versteht sich von selbst, dass dies nur bei offenkundiger Sachlage resp. begründeten Fällen von zweifelhaften Zolltarifauskünften Sinn macht. 


Sollte Ihr Unternehmen mit dieser Situation konfrontiert sein, bieten HS-Code Support in Kollaboration mit Rechtsdienstleistern gerne Hilfe an bei der Beurteilung der Zolltarifnummer sowie des Rechtswegs.



Für dasselbe Produkt liegt eine abweichende verbindliche Zolltarifauskunft einer ausländischen Zollbehörde vor.

Was nun?


Michael Bigler,  Chef Zolltarif und Tarifgrundlagen, BAZG, verrät mir folgendes:

"Für das BAZG sind Auskünfte ausländischer Behörden unverbindlich. Verfahren im Falle von Meinungsverschiedenheiten ist im Artikel 10 des Internationalen Übereinkommens über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren geregelt, wonach Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien möglichst durch direkte Verhandlungen zwischen den betreffenden Parteien beigelegt werden.

Es ist üblich, dass in solchen Fällen das BAZG direkt mit der ausländischen Zollverwaltung in Verbindung tritt."


Öffentlicher Zugang zu Zolltarifentscheiden

➡️  Als Ergänzung dieses Blogs möchte ich auf die Datenbanken der EU hinweisen, welche alle Tarifentscheide von verbindlichen Zolltarifauskünften online zur Verfügung stellt.

https://taxation-customs.ec.europa.eu/customs/calculation-customs-duties/customs-tariff/ebti-european-binding-tariff-information_en


➡️  Die Schweiz stellt auch eine ausgewählte Anzahl Tarifentscheide zur Verfügung, welche im Tares unter «Entscheide» zu finden sind, oder über diesen Weblink:

https://www.bazg.admin.ch/bazg/de/home/dokumentation/richtlinien/d4-entscheide-ueber-warentarifierungen.html

Oder als Alternative über den verlinkten Direktzugriff  im Tares:

https://xtares.admin.ch/tares/main/mainFormFiller.do;jsessionid=YIxJ-gx-_IGox0NWQbxjRJWVWEevVpBtKE8vrC3BmYTw9LY3uGgR!355348723



Ein pikantes Detail zum Schluss:


Es ist kein Zufall, dass das Instrument der verbindlichen Zolltarifauskunft vor allem für Waren des HS Kapitel 01-24 genutzt wird.


Das BAZG setzt in Ihrem Auftrag zum Schutz von Wirtschaft und Bevölkerung, ihre importseitigen Kontrollen klassischerweise risikogerecht auf sensible Güter und solche mit hohen Zolltarifen an.


Bei zusammengesetzten Lebensmitteln wird gem. der Richtlinie R-25 über die Aussenhandelsstatistik, Ziffer 2.1.7 "Warenbezeichnungen/Veranlagungstexte", praxisgemäss eine möglichst genaue Angabe vom Markennamen oder Phantasiebezeichnung sowie Typ des Lebensmittels in der Verzollung verlangt seitens BAZG.


In der Importzollanmeldung würde demzufolge auf der Positionsebene in der Warenbeschreibung dann, anstatt z.B. «Kartoffeln in dünnen Scheiben oder feinen Stäbchen, in Fett oder Öl gebacken», oder anstatt einfach nur «Chips»,  z.B. "Zweifel Cractiv Chips, Kartoffelchips, Nature" stehen müssen.

Daraus sollte für das BAZG die Möglichkeit geschafft werden, Rückschlüsse auf Produktinformationen zu Verarbeitung und Inhaltsstoffe zu erlangen, welche zu diesen Markennamen verfügbar sind. Damit hat das BAZG ein starkes Kontrollinstrument bei der Kontrolle von verarbeiteten Lebensmitteln, insbesondere in Verbund mit den vorliegenden verbindlichen Tarifentscheiden.

Wie intensiv und oft das BAZG mit dem neuen Berufsbild die Tarifierung dieser Warengattung effektiv noch kontrolliert, steht auf einem anderen Blatt.


In den HS Kapiteln 01-24 sind die Importzölle zwar vereinfacht gesagt generell hoch, aber vor allem je nach Tarifnummer stark unterschiedlich.

Um unternehmerische Planbarkeit und die finanzbuchhalterische Kalkulation bei Importmengen mit Zollbelastung für Waren der Kapitel 01-24 korrekt zu berücksichtigen, ist die richtige Tarifnummer und der infolge geltende Zollansatz entscheidend.

Was verhindert werden möchte: Feststellung einer falschen Tarifnummer durch das BAZG bei einer Importsendung, und daraus allenfalls resultierende Nachforderungen, falls zuvor derselbe Artikel stets, vermeintlich richtig, zu einer Tarifnummer mit einem tieferen Zollansatz verzollt wurde.


Insbesondere für verarbeitete / zusammengesetzte Lebensmittel lohnt es sich, die verbindliche Zolltarifauskunft frühzeitig zu einzuholen (bei noch geringem Importvolumen oder bestenfalls vor der ersten Importsendung).

Wenn bereits viele Einfuhren mit demselben Artikel getätigt wurden, kann es zu Nachforderungen kommen, falls bei einer umfassenden Zollprüfung, gestützt auf die verbindliche Zolltarifauskunft, rückwirkend Einfuhrverzollungen aus der Vergangenheit geprüft werden.


Ungeachtet des starken Fokus in diesem Blog auf die Kapitel 01-24: 


Natürlich können ebenso bei Exporten, als auch bei anderen Gütern aus den restlichen HS Kapiteln verbindliche Zolltarifauskünfte Sinn machen.


Daher möchte ich nach diesem kleinen Exkurs in die besagten Tarifkapitel 01-24 noch einmal auf die generell unbestrittenen Vorteile einer verbindlichen Zolltarifauskunft hinweisen:

********************************  Das Wichtigste verdient es nämlich, noch einmal erwähnt zu werden  *************************************

Die unbestrittenen Stärken und Vorteile bei einer verbindlichen Zolltarifauskunft sind:


  • Hochgradige, innerhalb der Zollbehörde verbindlich akzeptierte, fachliche Richtigkeit.
  • Die hohe Reputation einer Behördenauskunft gegenüber Kunden, Lieferanten oder ausländ. Behörden.


ℹ️ Dieser Blog ist entstanden mit der rechtlichen Unterstützung von Anwaltskanzlei Küng Rechtsanwälte und Notare AG.




#vZTA

#EBTI

#Zolltarifauskunft

#Verbindlichkeit

#HSCodeSupport

#Tarifierung

#Zolltarifnummer

#HSCode




3. November 2025
Dieser Blogbeitrag schafft es wahrscheinlich nicht, die Spannung der breiten Leserschaft halten zu können - Die elektrische Spannung wird jedenfalls nicht zu kurz kommen!
22. Juli 2025
Dies ist keine Huldigung an die Schweiz - Heimatgefühle haben hier keinen Platz. Stattdessen klare Rahmenbedingungen für die Regelung der Angabe: Ursprungsland Schweiz & Liechtenstein.
23. Juni 2025
Alles über die HS-Revision. Und, was die HS-Nummer 8469 und der heutige Tag 23.06. damit zu tun haben...
27. Mai 2025
Nicht nur geschmacklich ein Erlebnis: Auch zolltarifarisch.
Ein Schwarzweißfoto einer Roboterhand, die eine menschliche Hand berührt
7. April 2025
Die grosse Chance von KI im Bereich Trade Compliance.
Zwei Jeans hängen auf einem hölzernen Kleiderbügel an einer weißen Wand.
28. März 2025
Hosen für Mädchen werden anders tarifiert als Hosen für Jungs. Warum das?